Sonntag, 29. Oktober 2017

Aussagen, Gewichte und Zwinkern

Gehen wir mal davon aus, dass Worte ein Gewicht haben können, einen Wert, eine Maßeinheit (unabhängig davon, dass es ziemlich viele Wörter gibt). Dann könnte man auch fragen:
"Wie viel wiegt eine Aussage?"
Ich würde das gar nicht in genauen Einheiten bestimmen wollen, sondern etwas strukturierter in "schwer" und "leicht" aufteilen. Die genaue Angabe, wie viel, zum Beispiel eine Seele wiegen könnte, findet man im Titel eines wirkliche guten Dramas, falls man sich für schwere Filme interessieren mag. Aber das nur nebenbei. Zurück zu schwereren Aussagen.

Wenn jemand sagt: "Ich brauche Dich nah bei meinen Gedanken.",
dann ist das eine unglaublich starke Aussage, oder? Definitiv, das ist sie. Eine schwer wiegende Aussage. Es ist eine sehr umfangreiche, weitreichende und positive Aussage, würde ich meinen. Eine Aussage, die, wenn man sie wörtlich nimmt, keinen zwingenden Bezug auf Distanzen nehmen muss, demnach eine mentale Nähe zu Gedanken benötigt und Diese einfordert. Eine Aussage, die wirklich viel wert ist. Besonders, weil sie auf einer freien Ebene passiert.

Die Aussage: "Ich brauche Dich nah, bei meinen Gedanken.", ist durchaus ähnlich schwer wiegend und kraftvoll, würde das Ganze aber etwas über eine nicht vorhandene, eher körperliche, Präsenz und Nähe definieren, die benötigt werden würde. Sprich die physische Anwesenheit, bei speziellen Gedankengängen, bei Bewältigung von gedanklichen Problemen. Eine Aussage, die fast genauso viel wert ist, aber auf einer partiell anderen Ebene und deshalb etwas eingeschränkter in Bezug auf den Umfang.

So oder so, die erhoffte Nähe beider Aussagen, setzt Verständnis beim Empfänger voraus. Egal, ob die Aussage jetzt mit oder ohne Komma geschrieben wird. Es sind beides sehr starke, kraftvolle und wichtige Aussagen, sehr menschlich, sehr gut!

Ich empfinde Sprache ja durchaus als wörtlich, immer dann, wenn sie ernst und ehrlich eingesetzt wird, um etwas mitzuteilen. Man kann mit so wenigen Worten so Vieles sagen! Aber auch mit so vielen Worten, so unglaublich wenig mitteilen. Das kommt dann aber, wie immer, auf die subjektive Empfindung, Wahrnehmung und die individuellen Möglichkeiten an. Und, wie viel es einem jeden Wert ist, natürlich. Man muss aber auch immer zwischen wirklicher Ernsthaftigkeit, Ironie und Sarkasmus unterscheiden. Das alles kann man ja auch, gerne oft, einsetzen, um Spaß mit unserer Sprache zu haben. Da bin ich ja total dabei. Aber das sollte bei vernünftigem Umgang eh selbstredend sein und nicht zur Debatte stehen müssen.

Sind wir nicht eigentlich die Dichter und Denker?! Man kann doch so viele tolle Sachen mit der Sprache machen, wenn man sie einzusetzen weiß. Wo ist das denn Alles hin? Vergraben und verschüttet in den Massen von leichten Aussagen. Denn davon gibt es so Einige mehr, als von den Schweren, deshalb schwimmt das Leichte auch meistens oben und verdeckt die Tiefe...

Da heutzutage aber auch ganz bewusst unglaublich viel Unsinn, Blödsinn, Stumpfsinn und Schwachsinn überall publiziert wird, besonders in leichter Schriftform, kann man fast gar nichts mehr ernst nehmen. Alles wirkt, wie ein Werbespruch, ein Slogan fürs Leben. Phasenweise Phrasen-Weisen, die immer mit dem obligatorischen Augenzwinkern gesehen werden wollen und sollen?! Das verunsichert auf Dauer die gewohnten Umgänge mit der richtigen Benutzung von Sprache und deren Gewichtigkeit. Irgendwann zwinkern wir uns alle nur noch an, kaum wissend der ursprünglichen Bedeutung und erwarten dennoch alles. Aber keiner weiß es genau. Jeder "äußert" dann nur noch leichte bis fast schwerelose Aussagen. Irgendwann dümpelt man dann in herrlichem Einklang von Unwissenheit vor einander hin und weiß einfach nichts zu sagen, ein Zwinkern reicht ja. Leichte Aussagen, oben schwimmen. Aber, ob das dann ein Zwinkern um Hilfe ist, es Aufmerksamkeit signalisieren soll oder einfach nur ein Spaß sein könnte, kann man immer schwerlicher ausmachen. Absicht oder Unwissenheit? Die Kommunikation würde dadurch nur noch reine Auslegungssache werden und frei interpretierbar sein, immer. Ich denke, dass man dann einfach irgendwann auch nicht mehr weiß, was man überhaupt noch wollen würde. Alles verschwimmt dann irgendwie und lässt für die verschwommene Masse nur noch die klaren, leichten Phrasen übrig. So viel Ungewissheit und Unwissenheit verstehe ich nicht. Warum wird sich so wenig differenziert? Weil es einfacher ist? Weil man nicht darüber nachdenkt? Weil man einfach auf die nächste Phrase wartet, um dann wieder mit dem Zwinkern anzufangen und leichte Aussagen zu tätigen? Wahrscheinlich das Alles zusammen.

Die Wichtig- und Richtigkeit von Worten ist doch wirklich viel Wert. Nun gut, sie ist es mal gewesen. Früher, damals, Lagerfeuergeschichten... Ich würde mich, glaub ich, in so einer dystopischen Zukunft mit einem Szenario, nach irgendeiner Apokalypse, gut als Erzähler machen, der lustige Geschichten erzählt. Dann aber auch ganz Klischeehaft mit Ruinen, Schlaglöchern und brennenden Tonnen, versteht sich. Vielleicht irgendwo so nen herumgeisternden Ballen verdorrten Gestrüpps...swooshh, whistles in the wind, dusty landscapes, ein Kojote (wahrscheinlich irgendwie mutiert), darkness. Sunrise. Staubig ist's dann aber immer noch...aber man könnte echt super Geschichten erzählen.
Ist dieser Gedanke dann eigentlich schon Trümmer-Romantik, obwohl es noch nicht passiert wäre? Bestimmt ein bisschen. Aber haben wir nicht fast alle unsere, ganz persönlichen Trümmer? Bedarf es für eine solche Romantik überhaupt die Zukunft.

Vielleicht ist der Begriff der "Scherben-Romantik" etwas besser, in Bezug auf die momentane Zeit. Es gehen aktuell bestimmt enorm viele Spiegel zu Bruch, bei den ganzen Spiegelungen und Spiegelbildern und die hinterlassen mitunter Scherben. Glasscherben, scharfe, kantige und kaputte Sachen. Da es Viele nicht einsehen in den eigenen Scherben zu wühlen oder nicht können, ohne sich zu verletzen, wird es immer wieder neue Spiegel und durchaus neue Scherben geben. Also, alles Scherben-Romantik! Ich mag Romantik. Scherben sollen ja sogar Glück bringen. Und wenn man sich im eigenen Scherbenhaufen dennoch wieder erkennt und sich weiterhin spiegeln kann, dann sollte man auch keine Angst haben, daraus eine Skulptur zu machen, diese als Andenken aufzubewahren und sich auf die Gegenwart zu fokussieren. Romantik gibt es zum Glück nicht nur bei Endzeistimmungen und dystopischen Visionen. Von wegen Dichter und Denker. Mehr Poesie braucht's im Leben und weniger Trott. Es braucht schwer wiegende, ehrliche Aussagen und keine Augen, die zwinkern. Echte Worte und keine Werbung.

Wie viel wiegt also eine Aussage?

Manchmal nichts, manchmal ewig.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen