Montag, 6. Juli 2020

Russell, die Assel.





(Lesezeit: ca. 4 Minuten)

Es war einmal...

Russell, eine Assel. In der Tat keine gemeine Assel, wie man sie als Erstes erdenkt. Eher ein artiger Verwandter dieser kellerigen Kleinkrabbler. Ziemlich deutlich mit acht Beinen und zwei Scheren ist recht klar, Russel war ein Skorpion. Und zudem ein selten-besonderer Vetreter seiner asseligen Verwandten-Welt. Aber ja...er war. Denn Russel geriet regelmäßig in ordentlichen Schlamassel und das nicht zu selten. Denn asselig, wie er war, nahm er die Dinge im Konfliktkern wahr und stachelte nur zu gerne die Emotionen und Gemüter seiner Kontrahenten an. Das führte zwar nicht direkt zu seinem Ableben, aber erklärte warum er so ein besonderer Asseliger war.

Bei genauerer Ansicht fiel nämlich schnell auf, Russell fehlte der Stachel! Und da fragte man sich, wie der Russel trotzdem immer noch so herumasselte. Stachelloses Stacheln...naja...er dachte eben, er stachelte immer weiter, immer noch...aber statt dieser Tätigkeit, stupste er nur noch mit dem Ende, an dem einst der Stachel prangte. Ob das nun asselig genug war, damit Russell irgendwas anstacheln konnte, blieb seit dem - im Folgenden geschilderten - Stachel-Fauxpas stark zweifelhaft.

Bei einer der letzteren Sticheligkeiten, nämlich, nahm die aufgeheizte Stimmung, die die Assel selber anstachelte, eine Überzahl zu Ungunsten von Russell an. Ihm blieb in dieser Situation nichts anderes übrig, als die Flucht zu ergreifen. Einer erregten Meute wahnwitziger Erdmännchen war Russell natürlich nicht gewachsen. (Aber wer war das schon?!) Erschwerend kam hinzu, dass er auch nie aus solchen extrem asselige Momenten lernte. Russell vergaß zu schnell, zu oft, dass er einfach manchmal zu asselig war und seine Chancen, den Schlamassel unbeschadet zu überstehen, waren oft ein schmaler Grat.

Die Assel nahm bei der Flucht vor der Meute sehr hurtig die acht Beine in die nicht vorhandenen Hände und achtete leider dieses eine Mal zu wenig darauf, wie ihr Fluchtweg aussah. In einer hastigen Bewegung, mit der Russell emsig eine steile Kurve in ein wurzel-verwachsenes Erdloch nahm, passierte es dann: Er blieb mit dem Stachel zwischen zwei knochigen Hölzern hängen und riss sich seine stärkste Waffe im Zeichen der Asseligkeit einfach ab. Knack.

Russell schien es nicht zu bemerken und rannte einfach weiter, tiefer in den schmalen Höhlengang, der immer mehr unter die Erde führte. Es war ein langer Gang. Die acht Beine gaben Alles, was sie im Stande waren, zu geben und beförderten die Assel ein weiteres Mal in die dunkle Sicherheit. Als Russell dann weit genug in den unterirdischen Gängen verschwunden war, macht er halt und rastete. Er schlief dann irgendwie ziemlich schnell und ziemlich tief ein und erholte sich volle zwei Tage und die dazugehörigen Nächte. Als die Assel dann erwachte, fühlte sie sich direkt wieder asselig aber bemerkte überhaupt nicht, dass der nun fehlende Stachel sie deutlich weniger asselig machte. Vielleicht hatte Russel einfach zu schnell und zu lange geschlafen, um zu realisieren, was passiert war. Das Adrenalin, welches durch die vielen Glieder schoss, als er vor der wilden Meute floh, hatte ihn den Schmerz beim Abriss nicht spüren lassen und jetzt...nunja..., er hatte diesen Schlamassel mit dem ab-pen Stachel einfach verschlafen und vergessen... und so asselte Russell alsbald ohne seinen Stachel durch diese durchaus raue Welt.
Ein paar wenige, weitere Mal versuchte es Russell dann auch wieder und stachelte seine Umwelt an...zumindest wollte er dies...er war bemüht...aber statt der gewünschte Erbostheit, lachte man nur und fragte sich, was er denn da tun würde? Eine giftlose Assel...wer fühlte sich dabei schon angestachelt? Russell stubste nun, statt zu stechen und bald, gar nicht lange nach dem Verlust der Asseligkeit, erklärte sich auch die Vergangenheitsform seines Seins:
Tragischer Weise passierte dies bei einem Versuch, Beute zu machen. Er wollte eigentlich nur mal wieder etwas im Magen haben...aber diese Unternehmung musste leider ebenfalls ohne Stachel passieren. Russell hatte natürlich schon längst vergessen, dass ihm der Stachel fehlte und traf sein Opfer dieses Mal nur mit dem Stumpf, als Es mit einem Stich ins Jenseits zu befördern. Das war fatal, denn statt irgendwas zu bewirken, wurde die Beute, ein ziemlich fetter Maulwurf-Artiger, auf Russells Position aufmerksam und rannte auf die erstaunte Assel zu.
Und was tat Russell?! Er spreizte die Scheren hob den stachellosen Hinterleib - vermeintlich - drohend empor und wartete darauf, dass das nicht injezierte Gift zu wirken anfing. Aber der Schlamassel hatte schon seinen finalen Verlauf genommen und Russell asselte hier ein letztes Mal. Leider blieb ihm dieses, letzte, Mahl nun auf ewig verwehrt.

Der Maulwurf-Artige preschte währenddessen unbeirrt auf Russell zu und wittertete seinerseits einen schmackhaften Happen, der bedrohlicher wirkte, als er es war. Er beschleunigte noch einmal mehr, machte dann einen, recht beachtlichen und zudem geradlinigen Satz, flog ein Stück durch die Luft, um mit geöffneten Kiefern genau auf Russel zuzusteuern. Es würde eine punktgenaue, sehr akkurate Landung mit einem sehr effizienten, abschließenden, über alle Maßen vernichtenden, Biss werden, der Russell endgültig aller potentiellen Schlamassel entbinden würde.
Geknackt, getan. Russell war einmal.

...und die Moral von der Geschicht': nur herumzuasseln bringt es nicht!