Donnerstag, 13. Dezember 2018

Wankelmut, der

"Wankelmut oder Unbeständigkeit bezeichnet die Unentschlossenheit einer Person".
Soweit die Definition. Gehen wir mal einen Schritt weiter und formen aus der Unentschlossenheit einer Person die Übertragung auf mehrere Personen. Der Wankelmut einer Gruppe oder gar der Wankelmut einer Generation. Die Unentschlossenheit des Volkes.

Die Optionalität der Dinge kommt mir in dem Zusammenhang spontan erneut in den Sinn. Natürlich springt diese Phrase, die ich seit ein einhalb Jahren verwende und immer wieder in Frage stellen muss, mir in den Kopf. Wenn man von Unentschlossenheit in der heutigen Zeit spricht, muss man wohl zwangsläufig die Optionalität der Dinge anführen. Der Basar des Sozialen. Da werden allerdings auch nur Medien verkauft...

Wie kommt's, dass es einem so vorkommt, als würden sich Menschen sichtlich schwer damit tun, sich zu entscheiden. Wenigstens für eine Sache. Ok. Netflix oder Prime? Beides! Ist ja klar.
Aber was ist, wenn Menschen zu so einer Art Netflix- oder Prime-Sache werden sollten?
Könnte es sein, dass der Basar uns verkauft. Dass wir auch nur Medien sind?
Zum einen verkaufen wir uns ja selbst. Der Basar, wahlweise Markt, ist ja nur eine geographische Lage eines Sammelpunktes. Er verkauft nichts. Der ist einfach nur da.
So wie wir auch "nur" da sind. Allerdings haben wir alle unseren kleinen, individuell anmutenden Verkaufsstand dabei, wenn wir uns auf dem Basar tummeln.
Das passiert mittlerweile sogar so zwangsläufig und teilweise ungewollt, dass wir gar nicht zwingend merken, wenn/wann wir auf dem Basar sind.

Dazu folgende einfache Regel: Internet aus. Direkt weniger Mark-Atmosphäre. Leider ist das "zwangsläufig" und "ungewollt" so ein Thema geworden. Sagen wir mal, achtzig Prozent der Händler sind schon so sehr von den Medien, also auch von uns selbst, manipuliert, dass sie denken, es sei jeden Tag Zeit für einen Basar. Jeden Tag? Jede Stunde. Jede Minute. Einfach immer! 
Die Möglichkeit, Optionen auszuchecken und abzuwägen ist heutzutage so einfach wie noch nie.
Und: Es wird auch immer jemanden geben, der die permanente Nachfrage bedienen wird. Manchmal sind das echte Leute. So wie du und ich...na gut, deren Selbstwertgefühl ist wahrscheinlich um ein immenses Ausmaß geringer, als das Deine oder Meine...manchmal sind es aber auch nur Programme, keine echten Leute, die die Nachfragen der echten Händler dann zum Schein bestätigen. Auch wenn nur ein fadenscheiniger Kuhhandel abgeschlossen wurde...den Händler bestätigt das in seiner Options-Suche. So wird die Nachfrage weiter bleiben und der Markt wird versuchen sie zu erfüllen. Wie an der Börse. Ziemlich viel Schein und Spekulation. Und zudem extrem viel heiße Luft.

Ich frage mich allerdings, wann ist das Volk dazu übergegangen, Spekulationen so sehr auszuchecken und ihnen einen gewissen Wert zu geben, dass aus Spekulationen schon Optionen werden. Bzw. Irgendwann wird einfach nicht mehr spekuliert, sondern einfach gemacht. Egal, was es dann ist. Ich glaube die Leute verlieren immer mehr den Anstand und den Respekt, den es in Anbetracht einer Privatsphäre, die nun ein jeder von uns haben sollte, mal gab. Oder sie verlieren den Wert für diese Sphären. Alles ist durchsichtig. Alles ist nackt. Wir entblößen uns über unser Profilverhalten ja zunehmend selbst. Wir sind alle irgendwie "schuldig".Trotzdem ist es ein UNDING, wie frech, dreist, penetrant oder asozial einige Menschen meinen, mit anderen umgehen zu können. Die vermeintliche Anonymität macht's möglich. Das gemeine Volk wird immer gemeiner. Bald ist es aber soweit, dass sich innerhalb dieses Volkes (80%) soviel Zustimmung und Bestätigung für Angebote und Nachfragen findet, dass es eben zum ganz normalen Standard wird, wie sich untereinander verhalten wird. Leute, ihr geht gar nicht! Die ganzen Muchels, die nach einer Trillion Nachrichten (einseitig) immer noch keine Ruhe geben. Die, die meinen, aufgrund eines kleinen, blauen Daumens, der eigentlich weiß ist, das große Los gezogen zu haben. Die, die einfach gar kein Schema haben, weil eh alles gleich, Hauptsache "was wegbuttern". Männer, Jungs: verwechselt doch nicht immer Freundlichkeit mit Interesse! Kein Wunder, dass sich Mädels immer unsicherer, zynischer und ironischer verhalten. Kein Wunder auch, dass daraus eine ganz ganz miese Eigendynamik entsteht...aber nun gut, das ist ja jetzt auch nicht mehr abzuwenden.

Zurück zu denen die nicht mal wissen, dass der Markt geöffnet hat. Lasst es euch gesagt sein: der Markt hat immer auf. 24/7/365 etc., leider!
Kann man sich an so viel Gefeilsche, Abwägen, Schätzen und Handeln überhaupt gewöhnen? Wenn man sich als Ware sieht oder als Objekt, dann geht das bestimmt. Da wir aber immer noch Menschen sind, sollten wir wohl etwas dagegen haben, als Ware gehandelt zu werden. Erst recht dann, wenn es ein wildfremder Markt ist. Zum einen: selber Schuld, weil wir das Internet natürlich auch nutzen, aber auf der anderen Seite: Prost, Mahlzeit! Brave new world. Wenn alles zu optionalem Abwägen wird, wir selbst uns durch unsere Medien-Präsenz und durch die Präsenz der Medien so sehr manipuliert haben, dass es wirklich ein Problem geworden ist, sich an etwas längerfristig binden zu können, dann, ja dann, ist bald Weihnachten. Und eben der Wankelmut einer Gesellschaft, gemacht durch sich selbst und den Nährboden, auf dem das ganzen Unkraut wächst.

Nochmal ein Einschub, auf den ich eingehen will:
"Grund für ein wankelmütiges Verhalten kann zum Beispiel ein Dilemma sein, bei dem beide Wahlmöglichkeiten zu unerwünschten Resultaten führen oder einen negativen Nebeneffekt haben."

Eigentlich ist es wie immer: es gibt zwei Möglichkeiten der Entscheidung. Ja oder nein. 1 oder 0. Nach links wischen oder nach rechts wischen. Do or die. Der Baum oder der Hund.
Man sagt zwar immer, dass man den Mittelweg finden soll...allerdings ist ein "Jein" als Antwort oder Entscheidung nicht wirklich aussagekräftig, sondern eiert so um das Ja und das Nein herum. Nicht festlegen wollen oder können. Das ist die Frage. Ist es denn schon ein Dilemma, wenn man eventuell ein paar Abstriche auf seiner Checkliste machen muss? Das Dilemma besteht wahrscheinlich darin, dass mit einer anderen Option die Checkliste doch noch optimal bestätigt werden könnte. So hält man sich also alle Optionen offen, um irgendwann komplett kompromiss-los und dilemma-frei seine einhundert Prozent erreicht hat. Das Streben nach der perfekten Option wird allerdings niemals komplett erfüllt werden können. Perfekt ist heutzutage schon lange niemand mehr. Und besonders auch der Anspruch des Perfekten scheint exorbitante Umfänge erreicht zu haben. Das, was Euch da vorgegaukelt wird...ja...was soll man da sagen, merkt ihr selbst, ne?!
Filter statt Falten. Katzenohren statt Segelohren. Nieten statt Narben. Lappen statt Lyrik.

Wissen wir überhaupt noch in welchem Dilemma wir uns befinden? Gibt es wohl so viele Möglichkeiten, dass es zunehmende Dilemmata gibt, gar Trilemmata oder Polylemmata? Wenn alles immer nur aus so vielen kleinen Entscheidungen besteht, wir immer wählen müssen...was wählen wir dann? 1 oder 0? Vermeintlich einfach, einfach unvermeintlich. Man kann sein Leben heutzutage schon so führen, dass man jeden Tag aufs Neue, neue Optionen wählt, weil könnte ja besser sein. Ob es uns damit aber so viel besser geht, wage ich mal arg zu bezweifeln.

Wie immer gilt aber auch: Mach dir keinen Kopf und du hast keine Probleme. Wie immer gilt auch: zwanzig Prozent werden sich immer schwerer tun, die Veränderungen einfach hinzunehmen.
Es ist wirklich toll, dass es diese zwanzig Prozent gibt. Ihr seid auf jeden Fall, die mit denen man noch draußen sitzen kann. Die, mit denen man philosophieren kann. Die, die wissen, wie man "philosophieren" schreibt. Die, mit den Falten, Segelohren, Narben und der Lyrik.

Wie schon einst der gute alte Johann Wolfgang von Goethe schrieb:

"Was seid denn ihr, um von Wankelmut zu sprechen? Ihr, die ihr selten seid, was ihr sein wollt, niemals, was ihr sein solltet."

Zwanzig Prozent weniger Wankelmut sind hundert Prozent der Zustimmung unserer Generation.

(Quellen: Wikipedia)

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