Sonntag, 26. Januar 2020

Doppelkeks-Moral




Vorne rum so, hinten rum so. Es ist immer wieder erstaunlich, wie sehr sich doch über Menschen, deren Verhalten oder deren Charakter ausgelassen, gestört und echauffiert wird und dabei dann, ach so scheinheilig, genau diese Meinung außer acht gelassen wird, nur um im öffentlichen Raum anders dazustehen. So macht es auf jeden Fall immer wieder den Anschein. Wieviel doch in internen Kreisen gelästert, wieviel immer wieder denunziert und eine Meinung propagiert wird. Zumindest in kleinen bis mittelgroßen (vielleicht auch mittlerweile in sehr großen) Gruppengefügen ist es so, dass man sich zusammen das Maul über Jemanden oder auch Mehrere zerreißt. Die Meinungen sind sehr eindeutig, man ist sich einig und zieht über Verhaltensweisen oder ein komplettes Dasein her. Ich mein, klar, gelästert wird heutzutage mehr denn je. Das Internet, die Möglichkeiten von Gruppenchats, die Tatsache, dass man ganz schnell und einfach Bestätigung bekommen kann, etc., etc...Lästern 2.0. Es ist schon zu einer neuen Normalität geworden, im Schutze der Hintertüre, plus dem dementsprechenden Raum, zu agieren und so zu tun, als wäre das völlig in Ordnung, weil es ja sonst keiner mitbekommt, als die, die sich darüber bestätigen.

Wenn dann aber mit der Moralkeule unhergeschwungen wird, man selber beteuert, dass sowas (Verhalten, Charakter, Menschen) ja gar nicht geht, sich dann aber in Bezug auf Personen, die man vorher noch hart verurteilt, gutstellt und Kommunikation macht, als wäre überhaupt nichts von den negativen Äußerungen übrig, sollte man sich dann nicht selber die Frage stellen, wie das mit der Doppelmoral ist?! Macht man aber offenbar nicht, weil man ja nicht schlecht oder negativ erscheinen will. Besonders in der Öffentlichkeit verhält man sich nicht mal mehr nur neutral, sondern kommunikativ, bestätigend und "freundschaftlich", also gegenteilig. Sollte man nicht genau diese Meinung, die man hinten rum ja geäußert und in einer Gruppe bestätigt hat, dann auch noch haben, wenn es vorne rum geht? Was ist dann mit der Moral? Selbst apostolisch sein wollen aber im Endeffekt nicht anders zu sein als ein Judas, zeugt irgendwie von charakterlichem Wankelmut, oder? Klar, Meinungen können sich verändern, Menschen können dies ebenso, aber dann sollte es eine grundlegende Veränderung und nicht nur einer Situation geschuldet sein. Wenn man diese verächtliche Meinung dann im Nachhinein "gar nicht so gemeint hat", war es vielleicht auch keine Meinung, sondern nur ein Fähnchen im Wind. Aber warum dann hinten rum so abwertend? Was bringt es denn, wenn man die Meinung hat, jemand sei, zum Beispiel, ein Lappen, diese Meinung aufzuweichen und so zu tun als wäre alles irgendwie heititei bzw. ja nur "halb so wild"? Wenn schon abschätzig, dann auch richtig. So halbes Zeug hat mit Moral jetzt nicht viel zu tun. Bzw. man sollte diese Keule nicht schwingen, wenn man Gefahr läuft diese selbst abzubekommen.

Ist eine Meinung heutzutage so viel weniger wert oder gibt es so etwas wie Moral gar nicht mehr, wenn es um Kommunikation, Auseinandersetzung und gesellschaftliche Vorstellungen geht? Ist das Publizieren, Teilen und Mitteilen von Worten, Ansichten und Ideologien irgendwie andersartig geworden? Ist das gesprochene Wort, ob negativ oder positiv, überhaupt noch etwas wert? Kann man sich überhaupt noch auf etwas verlassen, was gesagt oder geschrieben wird? Klar ist, es ist heutzutage viel einfacher, eine vehemente Ausrichtung zu haben, ohne sich zwingend mit den potentiellen Konsequenzen auseinandersetzen zu müssen. Besonders wenn man Bestätigung durch Andere bekommt, ist es leicht, seine Meinung mit der Masse zu verändern. Isst man dann lieber einen Doppelkeks oder ist man dann eher ein Doppelkeks? Beidseitig verschieden aber im Endeffekt das Gleiche? Moral und Nicht-Moral liegen mittlerweile so nah zusammen und werden offensichtlich nur noch durch einen schmalen Grat getrennt, der die Linie zwischen Schokolade und Keks trennt. Wenn man eh den ganzen Keks isst, sollte man halt überlegen, ob man nicht von Vornherein schon sagt: "Ja, ich esse eh beide Seiten und im Magen sieht alles gleich aus." Dann ist das mit der Moral aber eh gegessen und man kann sich schön auf die Fahne schreiben, ich bin ein Judaskeks. Muss ja jeder selbst wissen, was er is(s)t, aber dann erzählt doch nicht, ihr wäret besser oder haltet zu Moral an, die eh nicht gegeben ist. Grenzen verschwimmen, Menschen werden zu Keksen und die Zweiseitigkeit macht dann auch keinen Unterschied mehr und wird irrelevant. Doppelkeks-Moral, ole!

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