Sonntag, 3. März 2019

Besuch aus der Vergangenheit

"Besucher aus der Vergangenheit" würde in der Tat etwas mysteriöser klingen, da es eine gewisse Assoziation zum Paranormalen bzw. zu einer Art Zwischenwelt suggeriert. Da ich aber weder bei einer Wahrsagerin gewesen bin, noch Ouija "gespielt" habe, ist dieser Besuch aus der Vergangenheit eine wunderbare Überraschung positiver Natur. Dass ich das mal so schreiben würde, finde ich gerade sehr erfrischend.

Die letzten Auseinandersetzungen mit meiner persönlichen Vergangenheit, besonders der Jüngeren, beliefen sich ja eher darauf, dass es ein Aufarbeiten von Erlebtem und die Einordnung von Gedanken gewesen ist. Zu dem habe ich gelernt, dass ich mich nicht von meiner negativen Vergangenheit bestimmen lassen darf. Es gab ja durchaus genug Momente, in denen der schwere Schleier von damals wieder vehement an meine geistige Türe klopfte und ja...zu oft ließ ich diesen Schleier dann auch wieder herein. Aber das kann ich mittlerweile ganz gut kontrollieren. Das Bewusstsein für das Jetzt lässt den Schleier im Großteil der Fälle einfach wieder abziehen. Geistige Faust in your face, Schleier! Um so schöner, wenn es bei diesem Eintrag mal so gar nicht um diese Thematik geht.

Ein Besuch aus der Vergangenheit. Ein Mensch aus einer alten Zeit. Aus einer guten Zeit. Eine Zeit, lange bevor ich mit dem Schreiben angefangen habe. Eine Zeit vor dem großen schwarzen Loch. Die Zeit der ersten eigenen Selbstständigkeit. Junge neunzehn Jahre alt, endlich von zu Hause raus. Der Auszug in ein neues Leben. Es war in der Tat ein gutes Leben. Sehr viel leichter noch, als es sich derweil anfühlt. Unbeschwerter, naiver, voller neuer Erfahrungen. Durch den veränderten Standort kamen natürlicher Weise auch neue Menschen in mein Leben. Besonders der musikalische Neuanschluss, der sich quasi einfach ergeben hat, half mir enorm dabei, in dieser neuen Welt Fuß zu fassen.

Die erste Band, bei der ich damals in meiner Heimat mitgemacht hatte, war eine klassische Jugendband. Wir waren Teenager. Und wie es nun mal so ist: nach der Schule orientiert man sich um, schaut wo man, wie arbeiten möchte und plant ein bisschen für die Zukunft. Andere strebten ein Studium in weit entfernten Städten an und so kam es, wie es dann oft kommt: die Band ging auseinander. So stand ich eine Zeit lang ohne Band da und war in einer neuen, noch fremden, Stadt angekommen. Dort lernte ich dann recht flott einen wichtigen Menschen kennen, der meinte, so: Du und Musik? Ja, ist cool. Ich auch Musik. Wir machen eher so Grunge und proben im Hauptbahnhof. Ja, top!, dachte ich mir. Ich spiele Bass und ihr sucht gerade? Ihr probt im Hauptbahnhof?? Jo, perfektes Timing von Ort und Mensch.

Eins kam zum Anderen, ich hab dann mal bei einer Probe mitgemacht und vorgespielt und ja, was soll ich sagen, ich war zwar nie der gelernte Musiker (und bin es immernoch nicht) aber ich durfte bleiben, obwohl die vorgegeben Qualität schon sehr hoch war. Davor hatte ich anfangs immer einen heiden Respekt. Von 2003 bis 2006 durfte ich also dieser neuen, sehr famosen und tollen Truppe beiwohnen. Die Tatsache, dass diese Band schon seit 1999 aktiv war und sich einen gewissen Namen im lokalen Umfeld gemacht hatte, erlaubte mir einen sehr schnellen und intensiven Einblick in das gesamte Lokalband-Gefüge. Es war großartig! Ich habe danach nie wieder ein so tolles Geflecht von Bands, Musikern, Organisatoren, Veranstaltungsorten, Fans, Proberäumen und Partys erlebt!

Großartige Erinnerungen stammen aus dieser Zeit, besonders mit dieser Band. Unvergessene Auftritte, unglaublich prägende Momente und extrem wertvolle Menschen. Tolle Erinnerungen aus der positiven Vergangenheit. Wenn ich Bilder von damals sehe, komme direkt alte Verbindungen in mir hoch und ergeben ein wunderbares Bild dieser Zeit.
Aber auch diese Zeit ging dann irgendwann wieder vorbei. Die Band musste sich leider trennen und die individuellen Musiker gaben sich neuen Projekten hin. Das Geflecht der lokalen Musikszene war aber weiterhin gegeben und man hatte immer noch mit den ganzen Leuten zu tun. Zwar in anderen Bands, aber wiederum mit neuen Menschen und dementsprechend auch wieder neuen Erfahrungen, musikalischer und menschlicher Natur. Danke dafür! Das werde ich alles niemals vergessen!

2011/2012 verließ ich dann relativ plötzlich und unvermittelt diese Stadt und widmete mich wiederum einem neuen Abschnitt in meinem Leben, wieder an einem neuen Standort. Bedingt durch eine extrem ekelhafte psychische Auseinandersetzung mit einer Person, auf die ich mich damals einließ, wurde dort der Grundstein für meinen Weg in das große schwarze Loch gelegt. 2014 tauchte ich dann endgültig in dieses Loch ein. Aber darüber habe ich ja schon oft genug geschrieben und das soll nun auch nicht weiter ausgeführt werden. Es geht ja schließlich immer noch um den Besuch aus der Vergangenheit. Die gute Vergangenheit vor der Zeit des schwarzen Loches.

Und so ergab es sich nun, ganz aktuell, dass ein toller und sehr geschätzter Mensch, den ich seit 2005 kenne, überraschender Weise, nach gut sieben Jahren Funkstille, den Kontakt zu mir aufnahm. Völlig unvermittelt, einfach so, quasi aus dem Nichts. Es ist gerade enorm erfrischend, muss ich sagen. Diese Person war in der ganzen Zeit von 2005 bis 2011 ein konstanter Bestandteil in meinem Leben. Wir teilten Vieles miteinander: Bier, Zeit, Respekt für den Anderen, ein Teil dieses Geflechtes zu sein, Gedanken, Freunde und Bekannte. Wir hatten immer gute Unterhaltungen und Gespräche, konnte miteinander schweigen und lachen, teilten die musikalischen Verbindungen, hatten einen ähnlichen Humor und waren meistens auf einer Wellenlänge. Wir hatten eine gute Zeit damals.

Als ich dann aus der Stadt wegging, ebbte aber auch dieser Kontakt ab. Ich hatte viel zu viel mit mir selbst zu tun und war in dieser Zeit ab 2012 eh sehr egoistisch unterwegs. Von der anderen Seite kam dann auch nicht mehr viel, was aber auch einfach an unseren beiden persönlichen Leben lag, die man unabhängig von einander lebte. Ich musste oft an sie denken, als Facebook diverse "Erinnerungen" in den digitalen Raum warf. Ich fragte mich dann immer, wie es ihr geht. Ich hoffte, gut und nahm an, dass sie ein geordnetes und erfülltes Leben führen würde. Ich wusste aber nur das, was man sporadisch über das Internet mitbekam. Ich habe also immer nur Vermutungen über ihre persönliche Ausrichtung und den Weg ihres Lebens gehabt und fragte in der Tat selber nie nach. Seit dem wir unsere neuen Leben hatten, hatten wir uns nie wieder unterhalten. Bis heute.

Überraschung: der Besuch aus der Vergangenheit. Nach fast siebenjähriger Funkstille ist da nun wieder dieser Mensch. Ein Mensch, den du kennst. Den du über eine lange Zeit kennengelernt hast. Aber auch ein Mensch, den du vor sieben Jahren das letzte Mal gesprochen hast. Sieben Jahre sind eine verdammt lange Zeit, in der viel passieren kann. Veränderungen von Wesen zum Beispiel. Menschen leben, Menschen treffen Entscheidungen, Menschen wählen ihre persönlichen Präferenzen. So ist das nun mal. Das Tolle und Erfrischende an dieser Situation ist aber die Tatsache, dass wir uns aktuell völlig ohne Vorwürfe, ob der Funkstille, enorm viel und sehr intensiv unterhalten haben. Toller Weise ist sie immernoch das Wesen, das sie immer gewesen ist. Wir knüpften direkt nahtlos an unsere vergangene Kommunikation an. Völlig easy und entspannt. Nun gut, im Grunde kennen wir uns seit fast vierzehn Jahren, auch wenn wir die Hälfte dieser Zeit gar nichts miteinander zu tun gehabt haben. Aber vierzehn Jahre sind vierzehn Jahre. Eine Verbindung, die über die Jahrzehnte besteht.

Wir haben uns nun in einer - gewiss - sehr  kurzen Zeit so unglaublich Vieles gesagt und ausgetauscht, verweilten schon wieder etliche Male in Erinnerungen und Eruierungen unserer gemeinsamen Vergangenheit. Schwelgten zusammen in Momente von damals. Herrlich. Es kam so viel mehr hoch, als beim bloßen Betrachten von "einfachen" Bildern. Sie weiß noch Dinge, die ich über die Zeit verdrängt oder vergessen habe. Wiederum kann ich Gedächtnislücken füllen, wo ihr die Puzzleteile fehlen. Es ist wirklich lustig, positiv und irgendwie strange, wenn man nach so einer langen Zeit scheinbar da weitermacht, wo man aufgehört hat. Ein wunderbares und eher blindes Verständnis für den jeweiligen Menschen. 

Obwohl wir uns beide natürlich in den letzten sieben Jahren diversen Herausforderungen stellen mussten, die unsere Leben definitiv verändert haben, haben wir offensichtlich nie den Bezug zueinander verändert, auch wenn dies nie bewusst passiert ist. Umso besser, finde ich. Eine enorm wertvolle Überraschung ist dies. Ein Kontakt, mit dem ich so niemals gerechnet hätte. Aber ich bin enorm erfreut, dass es nun so kam, wie es kam. Richtig gut. Es wird so Vieles zu bequatschen geben. Alleine das Interesse an den letzten sieben Jahren, über die wir eigentlich gar nichts wissen, reicht für stundenlange Gespräche. Herrlich! 

Und ja, was soll ich sagen, ein Danke an die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit den heutigen Mitteln, die es so, in dieser ausgeprägten Form, vor vierzehn Jahren noch nicht gab. Das macht in der Tat Vieles einfacher, in Bezug auf die Kommunikation und den Austausch. Man lernt sich gearde irgendwie wieder neu kennen, obwohl man sich schon so lange kennt. Wir werden uns Einiges zu erzählen haben und tun dies schon. Ich bin froh, dass es ihr gut geht und freue mich über neue/alte Momente voller Erinnerung und Gegenwart. Eine tolle Mixtur aus Bekanntem und Unbekanntem. Wenn wir sprechen, fühlt sich der Geist wieder an, als wäre er fünfundzwanzig, aber mit dem Bewusstsein, von zusätzlichen zehn Jahren. Was soll ich sagen, ich bin begeistert, ob der Bestätigung von diesem menschlichen Verständnis.

Schön, dass du wieder da bist!

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