Sonntag, 14. Juli 2019

Schreib-"Challenge" #1.2019 (Joe): Schatzihasipupsimausi...

Schatzihasipupsimausi - das Geschmiere mit dem Honig und wieso sich Unbekannte online/virtuell abknutschen und im Real-Life nicht einmal miteinander reden können.

Ich denke, das ist mit Abstand der längste Titel für einen Beitrag, den es bei mir je gegeben hat. Aber das ist top. Wenn man das Schatzihasipupsimausi ohne den wichtigen Untertitel nähme, könnte es sich bei diesem Beitrag auch um ein Schnulzen-Gedicht handeln. Welches sich zwar nicht reimen würde, aber der Wille wäre da gewesen. Da diese ganze Thematik durchaus vielschichtig ist und Einiges an Zusammenhängen zwischen Verhalten, Manipulation, Werbung und der veränderten Wahrnehmung des Volkes "Internet" beinhalten wird, frage ich mich, von wo ich dieses Pony anfangen soll aufzuzäumen. Ganz klar: mit weiteren Fragen. Warum gibt es im Internet Honig, warum wird damit geschmiert und warum sollten sich Unbekannte überhaupt abknutschen?

Aber fangen wir mal bei dem allgemeinen Kommunikationsverhalten der Leute im Internet an, auf dem dieses Thema grundsätzlich basiert. Im Internet, sei es bei Facebook, Instagram oder eventuellen anderen Plattformen ist es ja so, dass fast jeder mit fast jedem relativ einfach kommunizieren kann. Man schreibt einen Kommentar unter einen Beitrag und irgendwer antwortet. Im öffentlichen Raum, nehmen wir mal Facebook (in Kürze: FB), gibt es ja dutzende, ach was, abertausenden Möglichkeiten jemanden "virtuell abzuknutschen". Sei es ein Kompliment, eine Avance, eine klare Andeutung oder einfach eine platt formulierte Floskel. Das Internet macht es möglich, dass wir unsere "Gefühle" "äußern" können. Einfach so. Würde man auf der Straße oder im "echten" Leben ja kaum machen, sollte man meinen. Und was ist schon schöner als massenweise Bestätigung und Aufmerksamkeit zu bekommen?! Offensichtlich nicht viel.

Wenn man mal eine gewisse Zeit das Kommunikationsverhalten von Leuten im Internet beobachtet, wird man schnell feststellen: es wimmelt nur so von Blümchen, Herzchen, freudigen Smileys, sabbernden Smileys, feiernden Smileys, Auberginen und Honig. Emojis, die Sätze und Aussagen in ihren vermeintlichen Absichten bekräftigen sollen. Es wird ebenso nicht damit gegeizt, Phrasen des Zuspruches zu etablieren. Statt "normalen", "langweiligen" Sätzen, werden dann völlig übertriebene Aussagen verwendet und es scheint so, dass die Art und Weise, wie mit einander kommuniziert wird, in jedem Fall und unbedingt positiv, überschwänglich oder euphorisch sein muss, was zudem - und daraus besteht nunmal das Internet - vor Oberflächlichkeit nur so trieft. Jeder ist so: whooo und wow! und Herzilein. Alles ist so gekünstelt heititei. Das ist mittlerweile wahrscheinlich so, wie es bei den Amis (Bewohner der USA) in echt abgeht - sofern man den Überlieferungen dieser "Kultur" glauben schenken kann. Aber die Amis...lassen wir die einfach mal getrost bei Seite.

Man nehme: eine FB-Gruppe, Menschen und irgendein Thema. Man entferne alle zynischen Kommentare und übrig bleibt die Beweihräucherung auf diversen Ebenen, von diversen Leuten, die in den verschiedensten Konstellationen zu einander stehen können. Die meisten kennen sich aber definitiv nicht und überwiegend passiert eine unbekannte Kommunikation, die in ihrer überschwänglichen Art und Weise immer mehr dazu führt, dass ein Großteil der Leute im Laufe der Zeit anfängt illusioniert zu werden. Aktion und Reaktion. Wenn ich etwas poste, bekomme ich Feedback. Ist es tolles Feedback, will ich das bestimmt auch nochmal haben wollen. Warum auch nicht, ne?! Durch diese übertriebenen Zusprüche, wie toll und wow! jemand doch ist - und passiert das täglich und ständig - geht aber irgendwann alles in Oberflächlichkeit und Entsprechenwollen auf bzw. unter. Der Wert von Zuspruch geht über die Quantität einfach irgendwann verloren. Zudem kommt noch diese ganz eigene Massendynamik im Internet hinzu. Fängt Jemand im Internet mit etwas an, mit dem sich ein Großteil identifizieren kann, dann wird es adaptiert und nimmt, wenigstens temporär, eine nicht zu unterschätzende Eigendynamik und "Kraft" an.

Warum wird so viel und vor allen Dingen mit so viel Honig geschmiert? Jemandem Honig ums Maul schmieren ist im Endeffekt genau so effektiv, wie jemandem Zucker in den Arsch zu blasen: Es ist kurzzeitig süß und verebbt dann in irgendeiner Schleimhaut. Um das schöne Gefühl des Honigs (Zuspruch, Bestätigung, Egopolitur) nicht zu verlieren, wird dann auch einfach mal vorsorglich der ganze Kopf oder der Körper mit Honig beschmiert. Kann ja nicht schaden...mehr ist mehr. Wenn man rein mathematisch daran geht, ist mehr meistens mehr, aber mehr Oberflächlichkeit ist und bleibt einfach weniger Authentizität. Es ist (wie oft dieser Nebensatz schon seinen Platz fand) natürlich immer eine Frage des eigenen Anspruches. Ich spreche in meinen stark subjektiven Texten dabei ja meistens von der Masse und dem kleineren Anteil der Leute. Und wenn die Masse nun mal oberflächlich überschwänglich mit dem Honigtopf durch die Gegend eiert und das zum Anspruch von Vielen wird, wird die Masse genau das werden, was sie werden wird. Eine sich im Internet selbst beweihräuchernde Gesellschaft, die fernab von Smartphone, WA, Insta, Snap, Blabla und dem ganzen anderen Pipapo, verlernt hat, was in Wirklichkeit wirklich ist. So kommt es eben vor, dass Leute die sich überhaupt nicht kennen, sich noch nie unterhalten, gesehen, getroffen oder gesprochen haben, eine bunte heile Welt aufbauen, nur um festzustellen, dass wenn das Internet mal kaputt ginge, sie ziemlich aufgeschmissen wären.

Dynamik an sich, ist ja ne gute Sache. Aber von außen betrachtet ist es gleichzeitig eine krasse dynamische Selbstmanipulation, die mittlerweile immer mehr stattfindet, bzw. schon völlig normal ist. So kommt es auch dazu, dass unbekannte Leute sich im Internet mit schleimigen bis heuchlerischen Phrasen zuballern, nur um nicht Gefahr zu laufen, als negativ oder noch viel schlimmer: als neutral bewertet zu werden. Weil: wenn du keine Smileys oder Emojis benutzt, dann bist du böse! Ein Großteil der Leute scheint sich mittlerweile direkt angegriffen zu fühlen, wenn man mal nen Satz ohne Zusätze schreibt. Im Internet ist halt alles immer so: ":D xD ^^ <3, ;-), :-*". Es ist vielleicht auch eine gewisse Unsicherheit, wie neutrale Kommunikation bewertet wird. Stark merkbar ist bei der ganzen Geschichte aber auch eine gewisse latente Anti- und Ätz-Haltung. Die Leute scheinen sehr schnell auf die Palme zu gehen und fühlen sich, wenn man die Herzchen weglässt, oftmals persönlich angegangen. Alles was nicht beschönigt wird, ist direkt negative Kritik. So wirkt es auf mich sehr häufig. Deshalb ist es auch schöner, alles mit Blumen auszumalen, als sich Neutralem auszusetzen, was einen nicht so glücklich macht, wie die mit Honig versehenen Kommunikations-Häppchen.

Im Endeffekt resultiert diese Über-Hasipupsischatzimausi-Thematik ja aus etwas Gutem. Dem Hang danach, nicht schlecht sein zu wollen. Allerdings finde ich - es folgt die subjektive Wertung -, dass durch die Möglichkeit der Manipulation mit dem Werkzeug Internet, die Leute immer mehr zu Heuchlern und Zweigesichtigen werden. Ja, keine Frage, FB ist der Wilde Westen. Es ist in meinen Augen auch immernoch eine Parallelwelt. Aber seit dem ich nun aktiv schreibe, Vieles lese, mir Gedanken mache, analysiere und das Verhalten im Laufe der Zeit betrachte, wird der Wilde Westen immer mehr zum Spiegelbild. Vielmehr wird das Spiegelbild immer mehr zum Wilden Westen. Mir macht das Internet ja unglaublich viel Spaß und viele meiner Kommentare im, mehr oder weniger, öffentlichen Raum, gehören definitiv zu der Kategorie "der Rest ist Zynismus und Sarkasmus". Aber es steckt immer viel zwischen den Zeilen. Vieles ist ohne Eckendenken und/oder subjektives Wissen zwar mehr für mich selbst lustig, als für Andere, aber nun gut, die Richtigen werden es Alles verstehen. Ich bin ja eh weiterhin derjenige, der "brave new world" schreit, wenn man die Neuzeit beschreiben sollte. Dennoch, ich finde diese Herzchen-Attitüde nur gut, wenn sie auch so gemeint ist. 80 Prozent dieser Honig-Kommunikationen sind halt nur Mittel zum Zweck, weil: alle wollen pimpern. Da ist der Vergleich mit Honig und Zucker, Schmieren und Ärschen auch schon gar nicht mehr so abwegig. Verrückt, oder?

Versteht mich nicht falsch, pro Liebe! Aber immer noch contra die Kurzfristigkeit der Dinge. Auch in Bezug auf die Titel-Thematik (und bei diesem Wörtchen hoffe ich doch sehr, wenigstens Eine/r von Euch hat Titten-Thematik gelesen) ist es möglich, schnell und kurzfristig so zu tun, als ob. Vielleicht ist das ganze Geschleime ja auch zu einer Masche geworden. Maschen sind ja sooo platt. Abgekupferte Scheiße, die massenweise adaptiert, verwendet und weitergetragen wird. Nochmal: Machen es alle, ist es auch irgendwann für alle der normale Usus. Das Problem (etwas übergreifend) ist ja auch, dass wir uns zwar in unseren Handydisplays spiegeln, dies aber immer weniger mit dem Inhalt unserer Profile tun können. Wenn wir dann irgendwann den Bezug zu uns selbst verlieren, ist es auch kein Wunder, dass scheinbar niemand mehr so richtig weiß, wo er hingehört. Wenn ich es selbst von mir nicht weiß, wie soll ich mich zum Beispiel wirklich auf jemanden einlassen können. Klar im Internet groß knutschen, aber in Wirklichkeit eben nicht. Wo ist da der Anspruch? Werden schöne Komplimente nur noch in Honig ersäuft, um als karamellisierte Massenware unters Volk geschmissen zu werden? Abknutschen verliert seinen Wert. Honig ebenso. Der Bezug zu uns selbst verändert sich, somit auch zu anderen sozialen Wesen. Hunde und Katzen sind zum Beispiel wieder voll im Kommen. Auch wenn diese Wesen schon fast zum Standard geworden sind.

Aber ernsthaft: es ist nicht zu leugnen. Wenn das alles so weitergeht und das wird es, steht ein gewisser, in der Tat nicht kleiner Teil unserer Gesellschaft in ein paar Jahren mitten in einer großen Depression. Wenn wir uns immer mehr selbst vergessen und immerzu flüchten, werden wir immer das sein, was den geringsten Widerstand hat. Und das ist nunmal das, was alle machen. Weil es einfach ist. Weil es normal erscheint. Weil es dir deine persönliche Zeit kurzfristig versüßt. Weil es Bestätigung gibt. Weil wir es brauchen. Weil es möglich ist. Dynamiken im Internet. Jeder wie er will. Jeder wie er kann. Aber wundert euch bitte nicht, wenn die Unsicherheit des Wankelmutes euch irgendwann bewusst wird.


Was bleibt noch zu sagen? Rettet Bienen, esst mehr Honig... und wahrscheinlich noch so Einiges mehr. Aber zum Abschluss dieser höchst umfangreichen Schreib-Aufgaben-Thematik möchte ich mich hier bei allen Mitwirkenden bedanken! Danke an das Gremium (Anna, Anne, Caro, Dani, Mary) für das Ausdiskutieren des Themas. Ich würde mich zudem sehr freuen, da ich weiß, dass ihr aus mehreren Themen auswählen bzw. abstimmen musstet, dass bald wieder ein erheiterndes Thema zur Quelle einer Schreiberei wird!

Vielen Dank an meine lieben Mitschreiber: Caro, David und Marcel! Ich finds großartig, dass ihr mitgemacht habt und auf den Aufruf reagiert habt. Ich bin extremst gespannt, was ihr so fabriziert habt! Werden alles Beiträge komplett anders sein? Wie sind die Herangehensweisen? Was ist deckungsgleich? Wo gibt es eventuelle Meinungsverschiedenheiten? Ich bin sowas von gespannt. Ein Flitzbogen ist ein Witz dagegen. Ich hoffe zudem, dass ihr Spaß und einen guten Schreibfluss hattet.
Sehr, sehr schön, dass wir dieses kleine Projekt zusammen realisieren konnten. Habt Dank!

Auch Dir, werte Leserin und Dir, wertem Leser: Danke fürs Durchalten bis hier hin und viel Spaß mit den Beiträgen von Caro, David und Marcel!




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