Sonntag, 15. März 2020

Schreib-Challenge #1.2020 (Sonja): Entwurzelung/Neuanfang - Umzug ins Unbekannte (Fluch oder Segen?)

Die kleine Maus

In einem weit entfernten Land lebte eine kleine Maus gemeinsam mit ihrer ganzen Familie in einer kleinen Höhle. Die kleine Maus war sehr gescheit und las sehr viel. So lernte sie andere Länder kennen und stellte sich oft vor wie es wohl wäre, wenn sie an einem anderen Ort leben würde. Ihr Vater war allerdings noch von der alten Schule und wollte nichts von anderen Ländern hören. Für ihn stand fest: Dies war seine Heimat und die seiner Familie, sie würden sie unter gar keinen Umständen verlassen. Jedes Mal wenn die kleine Maus anfing von anderen Orten zu schwärmen, machte er seine Meinung deutlich und wurde dabei jedes Mal lauter. Schließlich verbot er der kleinen Maus das Lesen und die Schwärmereien. Sie konnte sich allerdings nicht beherrschen und begann immer wieder mit diesem Thema. Sie wollte nicht ihr Leben lang in diesem trostlosen Ort und dieser Höhle leben. Sie war sich sicher, überall würde es besser sein als dort. Ihre Geschwister lachten sie aus, wenn sie sich wieder einmal in ihren Träumereien verlor. Nur ihre Mutter redete ihr gut zu und versicherte ihr, dass sich alles zum Guten wenden würde und sie alles erreichen könne, wenn sie nur genug daran glaubte. Eines Abends hatte ihr Vater wieder einmal sehr schlechte Laune und war über die Träumereien der kleinen Maus sehr erbost. Nach dieser Auseinandersetzung hatte die kleine Maus genug und wollte nicht länger unter dem Pantoffel ihres Vaters stehen. Sie wollte einen Neuanfang wagen, fern von ihrem Vater und ihren Geschwistern. Sie wollte mehr vom Leben. Als schließlich alle schliefen, packte sie ihre 7 Sachen zusammen und verließ ohne Abschied die Höhle. Sie machte sich auf den Weg zum Hafen, um mit dem Schiff zu einem der fernen Länder, über die sie so viel gelesen hatte, zu fahren. Sie erreichte den Hafen und ging unbemerkt an Bord. Während der Überfahrt dachte sie an die Dinge, die sie auf dem Weg bereits erlebt hatte. So gab es eine Begegnung mit einer streitsüchtigen Eule, der sie nur knapp entkam und sie schloss mit einem alten Kaninchen Freundschaft, das sie für eine Nacht bei sich aufnahm. Als das Schiff anlegte und sie von Bord ging wusste sie sofort: Hier würde sie bleiben. Sie suchte eine Unterkunft, fand aber keine und streifte deswegen auf den Wegen umher. Tage vergingen und sie begann zu zweifeln, ob es wirklich richtig war ihre Familie zu verlassen. Sie fühlte sich fremd und von den Bewohnern des Ortes nicht akzeptiert. Sie hatte sich große Hoffnungen gemacht, dass fern der Heimat alles besser werden würde und sie endlich das Leben führen würde, das sie sich immer gewünscht hat. Eines Nachts, als sie nicht schlafen konnte, schon aufgeben und zu ihrer Familie zurückkehren wollte, hörte sie die Stimme ihrer Mutter in ihrem Kopf, die ihr versicherte, dass alles gut werden würde. Sie solle nur noch ein bisschen Geduld haben. Durch die Stimme ihrer Mutter beruhigt schlief die kleine Maus endlich ein. Die Wochen vergingen und nichts änderte sich für die kleine Maus. Sie war für die Anderen nach wie vor die Maus mit dem seltsamen Akzent. Mit der Stimme ihrer Mutter im Kopf machte sie jedoch unermüdlich weiter. Sie streifte weiterhin im Ort umher, schlief mal hier mal da und aß was sie finden konnte. Am Ende eines besonders schweren Tages traf sie auf einen Kater, der sie mit zu sich nahm und sich um sie kümmerte. Erst hatte die kleine Maus Angst und wusste nicht, ob sie ihm trauen konnte. Doch schon bald erzählte sie ihm von ihrem Wunsch nach einem Neuanfang, dass sie Schwierigkeiten hatte sich einzuleben und dass sie nach mittlerweile 2 Monaten noch keine richtige Unterkunft hatte. Der Kater tat genau das was die kleine Maus so dringend benötigte: Er spendete ihr Trost, hörte einfach zu und versprach ihr bei der Suche nach Anschluss und einer Unterkunft zu helfen. Sie redeten lang an diesem Abend und schließlich erzählte der Kater seine eigene Geschichte. So stellte sich heraus, dass auch er seine Heimat verlassen und an diesem Ort noch einmal von vorn begonnen hatte. Ein paar Tage später hatte die kleine Maus mit Hilfe des Katers eine Unterkunft gefunden. Er stellte sie seinen Freunden vor, die die kleine Maus sofort in ihrer Runde aufnahmen. So wurde dieser Ort langsam immer mehr zu ihrer neuen Heimat und das Leben der kleinen Maus immer mehr zu dem was sie sich immer gewünscht hat. Natürlich vermisste sie manchmal ihre Mutter, doch sie wusste, dass ihre Mutter stolz auf sie ist, weil sie den erforderlichen Mut aufgebracht und einen Neuanfang gewagt hatte. Auch die kleine Maus war stolz auf sich, weil sie trotz mancher Zweifel nicht aufgegeben hat. Sicher lebte sie in der ersten Zeit unter widrigen Bedingungen, aber die vielen Erfahrungen und neuen Freundschaften machten all das wett. Niemals hätte sie gedacht, dass sie sich mit einem Kaninchen, einem Kater und einer ganzen Reihe anderer anfreunden würde. Doch sie hatte begriffen, dass es sich lohnt auch mal genauer hinzusehen. Es zählt nicht nur was man auf dem ersten Blick sieht, sondern auch das was sich im Inneren abspielt. Sie war sich sicher, dass sie, wenn sie die Anderen nur nach ihrer Herkunft und deren Aussehen beurteilt hätte, eine Menge bemerkenswerte Persönlichkeiten verpasst hätte. Wenn die kleine Maus in Zukunft gefragt wird, ob ihr Umzug ins Ungewisse Fluch oder Segen war, wird sie voller Überzeugung antworten können das beides zutrifft. Die erste Zeit war mit all den Hindernissen wie ein Fluch, da nichts sie darauf vorbereiten konnte, was sie an ihrem Ziel tatsächlich erwartete. Ganz egal wie viel sie im Vorfeld über die Orte las. Die soziale Komponente ist eben nicht vorhersehbar. Nachdem sie aber die Hindernisse überwunden und Anschluss gefunden hatte, eröffneten sich ihr all die Möglichkeiten, die sie sich immer erträumt hat. Sie war als Maus gewachsen, war nun stärker und unabhängiger als jemals zuvor. Und das würde sie gegen nichts eintauschen wollen.

(geschrieben von Sonja)

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