Dienstag, 3. März 2020

Muss es - noch immer - mehr sein?!

Zwischen Entwurzelung (die bald folgende Schreib-Aufgabe Nummer 4) und ein wenig Kruzzeiligem (zuletzt: Nummer 25), auch mal etwas Anderes:

Muss es denn immer mehr sein?! Würde man der breiten Masse folgen und sich die gängigen Konventionen und Eintrichterungen anschauen, müsste man durchaus sagen: "Ja, es sieht so aus, als müsste es immer mehr sein." Mehr von Allem. Mehr Aufmerksamkeit, mehr Darstellen, mehr Reichweite, mehr Dekadenz, mehr Rabatte, mehr Chaos, mehr Lügen, mehr Filter, mehr Follower, mehr Sex, größere Brüste und längere Schwänze. Ein wahrhaftiges Sammelsurium, wenn es darum geht, was man alles mehr haben kann. Aber widmen wir uns hier einfach mal den Brüsten und den Schwänzen. So ein bisschen (mehr) Sex schadet ja nie, ne?! Und Alle so: "Jaaaa, Sex, woooohoooo!" ...dabei sind meistens die, die am lautesten danach schreien, die, die Ihn am wenigsten haben. Aber Hunde, die bellen, beißen ja auch nicht.

Wieviele tatsächliche Jungfrauen es geben muss, die - nehmen wir mal das Internet als Darstellungsplattform - im Netz nur so mit zweideutigen Memes und versauten Spruchbildern um sich werfen, in Wirklichkeit aber noch nie Sex (außer mit sich selbst) gehabt haben. Will man als Jungfrau wirklich den Sex, den das Internet oder Pornos einem vorgeben, obwohl man tatsächlich keine Ahnung hat, wie sich echter Sex anfühlt? Ist es für den völlig unerfahrenen Menschen erstrebenswert, so zu tun, als wäre man die sexuellste Person überhaupt und dann kann man den vermeintlichen Erwartungen wohlmöglich gar nicht entsprechend? Ich glaube es ist, wenn man nicht gerade asexuell ist, echt nicht einfach in der heutigen Zeit noch Jungfrau zu sein. Besonders dann, wenn man merkt, dass es gar nicht damit getan ist, im Internet so zu tun, als ob. Es ist wirklich eine merkwürdige Welt geworden. Da bin ich mir weiterhin einig.

Aber nicht abschweifen...! Mehr Sex, jawoll! Keine Frage, Sex kann es eigentlich nicht genug geben. Und das sage ich nicht nur als Mann...wobei sich das Klischee noch ein bisschen hält, Männer würden mehr über Sex nachdenken als Frauen. Ich bin ja kein Fan von Schubladen und muss auch hier sagen, dass die Geschlechter sich da nicht viel unterscheiden. Vielleicht sind Frauen einfach etwas pragmatischer in ihrer grundlegenden Denkweise und in der Anlage von Gedankengängen, als Männer und können einfach besser differenzieren. Aber ne Drecksau bleibt ne Drecksau. Dann ist es auch nicht wichtig, wie häufig man über Sex nachdenkt, sondern einfach, wie dies dann passiert. Ich sag ja: es kann nie genug guten Sex geben. Und Sex ist so wunderbar subtil, wenn man will. Das ist zwar wieder alles eine Frage des Anspruches und des Könnens, aber wenn man es kann und den richtigen Partner dafür gefunden hat, ist die Frage nach dem "muss es immer mehr sein" gar nicht mehr so relevant, weil es einfach immer gut und viel ist und immer mehr sein kann, wenn man will. Vielleicht ist es aber auch einfach so gut, weil es einfach mehr ist, als der Standard. Wie gesagt, Anspruch-Verhalten spielt eine große Rolle.

Alle wollen Sex. Sex ist toll. Sex macht glücklich. Sex ist wichtig und auch etwas Besonderes. Massenware ist für mich eher uninteressant. In meinen Augen ist der Austausch von Nähe, Intimität, Zärtlichkeit und Lust unbedingt etwas Besonderes und eines der großartigsten Gefühle, die es gibt. Etwas, immer wieder, Einzigartiges, was man zudem so wundervoll (mit den richtigen Menschen) teilen muss und sollte, um es noch besser zu machen.
Aber auch hier gilt bei der breiten Masse höchstwahrscheinlich: Hauptsache Sex, statt lieber gar keinen Sex...auch wenn es eher schlechter Sex ist. Muss es dann immer mehr sein? Mehr schlechter Sex, also? Neeeeee! Keinen schlechten Sex. Den braucht in der Tat niemand...außer vielleicht die, die es noch nicht kennen und höchstwahrscheinlich eh erstmal nicht so geilen Sex haben werden. Hachja...das erste Mal...war es nicht schön?! Um ganz ehrlich zu sein, nein. Nur wahnsinnig aufregend, unwirklich und irgendwie noch nicht ausgeprägt. Aber zum Glück entwickelt sich im Laufe eines Lebens die Sexualität und das Verständnis für Körperlichkeiten. Bei Einigen eben früher als bei Anderen. So gibt es immer ein bisschen Variation und Verhaltensweisen, die man von der "Norm" etwas abheben kann. Im Grunde verhalten wir uns aber eh alle gleich, beeinflusst durch unsere Umwelt, Erziehung, die genossen wurde oder auch nicht und ein Bild der Gesellschaft, welches uns vorgemalt wird. 

Ist es genau dieses Bild, was suggeriert, es muss immer mehr sein? Wann hat sich das Verlangen nach dicken Titten und nem großen Penis so sehr in den Menschen etabliert? Ist das schon immer so gewesen und wir bekamen es bisher nur weniger mit, weil es - sagen wir mal - in den 90ern noch nicht so viel Internet und Meinungs-Darstellungs-Möglichkeit gab? Beschreiben Pornos das "Mehr" einfach immer mehr? Oder ist es ganz normal, dass man immer das haben will, das in den eigenen Augen als "besser" empfunden wird? Sprich: größerer Schwanz gleich mehr Spaß. Größere Hupen gleich mehr Erlebnis? Glatt pauschalisieren sollte man ja eh nie, aber dennoch bleibt immer ein Vergleich: das, was alle wollen gegen das, was man selber will. Wenn alle immer mehr wollen, sollte man dann selbst auch immer mehr wollen?

Oder ist es alles nur ein Irrglaube und die potentiellen Komplexe von Männern mit kleinen Penissen und Frauen, die nicht einem Ideal entsprechen, sind gar nicht der Rede wert? Im Endeffekt muss es, meiner Meinung nach, einfach passen und funktionieren und man sollte in erster Linie immer das geben, was man im Stande ist, zu leben und sich danach erst die Frage nach dem Wollen stellen. Ich glaube auch, dass, wenn man gibt, man schnell merkt, wie viel zurückkommt. Das Mehr-Wollen entwickelt sich dann einfach. Es ist mehr Prozess als ein Final-Zustand.

Für meinen Geschmack bleibt es einfach zu platt, zu sagen: "Ja, es muss immer mehr sein!". Grundsätzlich bin ich zwar ein genügsamer Mensch, habe aber natürlich auch das Verlangen nach einem Mehr, aber das schlüsselt sich eher in gut und intensiv auf. Sex ist Körperlichkeit in Verbindung mit dem Verständnis dafür. Körper sind toll und wenn die Empathie dafür genauso mitmacht, kann es gar nicht besser sein und sollte sich wie von selbst wahnsinnig gut und befriedigend ergeben und dann immer mehr entwickeln. Und wenn das funktioniert, ist sogar Distanz in Bezug auf Sex völlig machbar. Dabei ist die Frage nach dem Mehrwollen unbedingt an stetiges Verlangen gebunden und bedarf "einfach nur" der nötigen Geduld...ich sag's dir, Moró mou, ich misse dich wahnsinnig!! Und ja, natürlich fehlt die Körperlichkeit, bei der es beim Sex nunmal geht, total und eine solche Verbindung über die Ferne ist manchmal alles andere als einfach. Dennoch können wir uns immer Mehrwollen und wissen einfach um das Können und Passieren, wenn die Geduld und Zeit auf unserer Seite ist. Alles Andere ist dann für mich tatsächlich sehr relativ und ich bin einfach glücklich! Von Dir will ich in jedem Falle natürlich immer mehr und bekomme dafür jedes Mal so unglaublich viel zurück. Es bleibt dabei, Du, mein Glück!

Muss es also - immer noch - immer mehr sein? Ist das Streben nach den Superlativen weiterhin gegeben? Oder ist die Welt zu sehr damit beschäftigt, sich selbst genau damit zu profilieren? Ist der Spaß und die Meinungsfreiheit oft nur Augenwischerei oder ein viraler Schrei nach Träumen und Wünschen? Wann wird das "mehr"relativ? Wann sind wir zufrieden? Was wollen wir?

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