Sonntag, 15. März 2020

Schreib-Challenge #1.2020 (Lena): Entwurzelung/Neuanfang - Umzug ins Unbekannte (Fluch oder Segen?)


Ich sitze auf meinem Bett in meinem Zimmer, eigentlich in unserem Zimmer. Die mir vertrauten vier Wände die ich mir jahrelang mit meiner Schwester geteilt habe. Egal wie sehr wir uns gestritten haben, egal wie sehr wir uns am Tag auf die Nerven gegangen sind, abends waren wir immer wieder hier, zusammen, meistens sogar im selben Bett. Ich schaue mich im Zimmer um. Jede kleine Macke, jeder Fleck, jedes Möbelstück und jedes Kuscheltier alles hier ist eine Erinnerung für mich. Ich bin 12 Jahre alt und ich hab überhaupt keine Ahnung was auf mich zukommt. Ich bin 12 Jahre alt und schwelge in Erinnerungen wie eine 80 Jährige Frau. Ich sitze in unserem Zimmer und schaue mich um, nehme die Farbe der Wand in mich auf, den Ausblick aus dem Fenster, die Vorhänge schrecklich hässlich aber trotzdem auch schrecklich vertraut. Ich schaue zu Tür und weiß um das Loch unter dem Pferdeposter, ich mag gar keine Pferde aber das Poster musste auch nur das Loch verdecken. Ich fühle mit meinen Füßen den Teppich, sehe die Wölbung, an der der Boden hoch kam weil wir mal wieder das Dachfenster bei Regen offen gelassen hatten. Ich erinnere mich an die Geräusche zwischen den Wänden, jede Nacht hörte man kleine Mäusefüße. Werde ich all das vermissen? Mama hat gesagt wir ziehen um, wir ziehen weiter weg, weg aus meiner vertrauten Umgebung. Was mich erwartet, ich weiß es nicht

Das neue Zimmer war anders, es roch noch fremd, es war noch ganz kahl und unbewohnt. Es waren zwar meine Möbel und es war meine Wandfarbe die ich mir ausgesucht hatte, aber es war mir noch fremd. Das Bett roch noch nicht so vertraut wie damals, der Boden war kühl unter meinen Füßen weil mir der Teppich fehlte. Etwas vermisste ich sogar das hässliche Pferdeposter. Als ich in meinem neuen Zimmer lag, in meinem Bett und an die Decke starrte, hörte ich leise die Heizung gluckern dieses Geräusch gab mir etwas Beruhigendes, es konnte vielleicht genauso vertraut werden wie die kleinen Mäuseschritte. Ich war in Gedanken versunken und hörte wie leise die Tür aufging, meine Schwester legte sich wortlos in mein Bett und es war wieder wie immer. 

Das neue Zimmer war meins geworden, neue Poster, dass selbe Chaos und vertraute Erinnerungen. Meine Gerüche, meine Klamotten, Türen knallen und meine Schwester die sich abends wieder in mein Bett schleicht. Ich hätte nicht damit gerechnet wie schnell mir das neue Zimmer so vertraut werden würde und wie schnell sich diese Vier Wände mit Leben und Erinnerungen füllen würden. 

Ich hab in meinem Leben schon viele Umzüge erlebt. Eigene, von Freunden, von Familie. Ein Umzug ist immer anstrengend aber ich schaue immer auch gerne genauer hin. Schau in die Gesichter, sieht man Hoffnung, Erwartung, Angst, Nervosität. Wie geht es den Leuten die umziehen, wie geht es mir wenn ich umziehe, was macht dieser Einschnitt mit einem und vor allem was macht man selbst daraus. Keiner weiß wirklich was einen Erwartet, es ist immer eine Unbekannte Situation. Wird wirklich alles so wie ich es mir erhoffe? Wird es besser, schlechter oder ganz anders? Auch wenn man weiß wo man hinzieht weiß man doch irgendwie nicht wo man hinzieht. Wie sind meine Nachbarn, wie ist die neue Umgebung, wie ist meine Wohnung. Werde ich mit all dem fertig? Was man aber immer in allen Gesichtern sehen kann ist der Wille die Situation zu meistern, die neue Umgebung zu meistern. Wie das letztendlich aussieht hängt von jedem selbst ab.

Der Umzug den ich am Anfang beschrieben habe, war sicherlich der einschneidenste Umzug. Ich verließ den Ort in dem ich aufgewachsen bin, den Ort an dem ich meine Kindheit verbrachte, wo meine Freunde lebten und den ich so gut kannte. Der Umzug bei dem ich kein Mitspracherecht hatte. Ich musste mit, was hatte ich für eine andere Wahl. Aber was macht sowas mit einem?

Kann man pauschal immer sagen Fluch oder Segen? Ich persönlich nicht. Ich hab gute und schlechte Erfahrungen gemacht nach diesem Umzug. Ich hab mich mal verloren und entwurzelt gefühlt aber oft auch so Zuhause wie an keinem anderen Ort. Ich hab einen Neuanfang mit neuen Freunden gemacht, meine alten völlig vergessen. Mich mit meinen neuen Freunden gestritten und meine alten schrecklich vermisst. Es war ein auf und ab, gute und schlechte Tage aber ich glaube das wäre auch an jedem anderen Ort so gewesen. Wäre ich in meiner Heimat geblieben hätte ich auch dort solche Tage und Situationen gehabt da bin ich absolut sicher.

Ich bin der Meinung ein Umzug kann alles sein, es ist wichtig was man daraus macht und wichtig das man alle Momente lebt und herausfindet was der neue Ort und die neue Situation für einen bereit hält. Beschäftigt man sich zu sehr mit der was wäre wenn Frage, macht man sich zu viele Gedanken, lebt in der Vergangenheit und stellt immer wieder Entscheidungen in Frage vergisst man zu leben. Dann verpasst man Möglichkeiten, Situationen und Menschen, wenn man will kann man überall glücklich werden und wenn nicht zieht man um und fängt wieder neu an. :)

(geschrieben von Lena)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen